
Kuschel-Therapie – mehr als Ersatz für privaten Mangel
Kuschel-Therapie?
Was bitteschön ist eine Kuschel-Therapie?
Ja, das war auch meine erste Reaktion. Denn dieser Begriff kam mir sehr merkwürdig vor. Weil ich Kuscheln als etwas sehr Privates empfinde. Aber Therapie doch eher nicht.
Aber dann habe ich mich informiert. Und eines Besseren belehren lassen. Denn Kuschel-Therapie ist ein sehr sinnvolles Angebot. Das von der Schulmedizin zwar noch nicht durchgehend anerkannt wird. Und wohl auch nicht von der Krankenkasse bezahlt wird.
Aber dennoch möchte ich dich hier darüber informieren. Vielleicht ist es ja ein Angebot, das du dir gönnen möchtest. Oder auch eine Berufs-Option.
Wobei du dir gern auch mein Interview mit Andrea Pusch ansehen kannst.
Was dich in diesem Beitrag erwartet
- Kuschel-Therapie für die Seele
- Was versteht man unter Kuscheln?
- Die Kuschel-Therapie öffnet neue Räume
- Oxytocin das Kuschel, Glücks- und Treuehormon
- Folgen von Oxytocin-Mangel
- Oxytocin versus Dopamin
- Wie läuft die Kuschel-Therapie ab?
- Mögliche Körperreaktionen bei der Kuschel-Therapie
- Kontraindikationen
- Fazit
Kuschel-Therapie für die Seele
Kuscheln tut der Seele gut. Und das wird sie dir gern im „Dialog der Hände“ bestätigen. Dazu gibt es hier übrigens einen eigenen Artikel. Aber auch ein zweibändiges Buch.
Allerdings mag nicht jedes Ego kuscheln. Denn leider ist diese Funktion bei vielen Menschen verkümmert. Weil sie in der Kindheit zu wenig gekuschelt wurden. Und generell zu wenig Innigkeit und Nähe erlebt haben. Aber auch aktuell erleben.
Und dazu gibt es eine gute Nachricht. Denn wir können ein Manko aus der Kindheit auch als Erwachsene auffüllen.
Genau dazu kann die Kuschel-Therapie dienen. Um diese menschliche Grundfunktion wieder zu erlernen. Allerdings braucht es dazu Geduld. Und liebevolle Begleitung.
Berührung gehört zu unseren Grundbedürfnissen. Und ein Mangel an Berührung kann sogar krank machen. Das weisen Experten heute eindeutig nach.
Daher tut Kuschel-Therapie auch so wohl. Und bringt bei vielen gesundheitlichen Problemen Linderung. So etwa bei Depressionen. Aber auch bei chronischen Schmerz-Krankheiten wie der Fibromyalgie. Und diversen anderen Problemen.
Natürlich wäre es ideal, in der Familie ausreichend zu kuscheln. Oder in der Zweierbeziehung. Aber das ist heute leider oft nicht mehr der Fall. Denn Kuscheln gilt in unserer Gesellschaft oft noch als Tabu. Und wird meist in direkte Verbindung mit Sex gebracht.
Diese Verbindung ist natürlich möglich. Aber nicht zwingend. Auch wenn es heißt, Männer wollen immer nur das Eine. Aber das glaube ich nicht. Denn meine Erfahrung zeigt etwas anderes. Es gibt sehr wohl Männer, die Bedürfnis nach nähe haben. Und dann eventuell in berührungsarmen Beziehungen leben.
Was vor allem daran liegt, dass zu wenig geredet wird. Und Bedürfnisse nicht angesprochen werden. Oft auch gar nicht bewusst sind. Weil sie lieber verdrängt werden.
Die Kuschel-Therapie öffnet neue Erfahrungsräume
Also eigentlich sollte im Alltag mehr gekuschelt werden. Denn dann würde vieles in unserem Leben anders aussehen. Und eines Tages werden wir hoffentlich wieder dahin kommen. Aber bis dahin ist die Kuschel-Therapie eine gute Möglichkeit.
Vor allem natürlich für Singles. Die nicht so viel Möglichkeit zu körperlicher Nähe haben. Und diese Menschen werden ja immer zahlreicher.
Daher ist aus meiner Sicht die Kuschel-Therapie so wertvoll. Als Angebot für Alleinlebende. Aber auch für Menschen in berührungsarmen Beziehungen.
Denn diese können das Kuscheln mit nach Hause nehmen. Und ihr Gegenüber unerwartet verwöhnen. Indem sie es in mehr Innigkeit und Nähe mitnehmen.
Und das kann die Beziehung ungemein bereichern. Aber auch auf eine neue Ebene der Authentizität heben. Und damit natürlich weit erfüllender machen.
Kuscheln tut Körper, Geist und Seele gut.
Nicht alles, was aus Amerika kommt, ist aus meiner Sicht sinnvoll. Aber die Kuschel-Therapie finde ich durchaus wertvoll.
2009 hat Travis Sigley in San Franzisco die Kuschel-Therapie entwickelt. Dr. Elisa Meyer hat sie dann nach Europa gebracht. Und beschreibt sie in ihrem Buch: „Berührungshunger: Kuscheltherapie als Antwort auf unseren modernen Lebensstil“.
Nach ihren Forschungen ist Körperkontakt enorm wesentlich. Und neben Schlaf und Essen ein grundlegendes menschliches Bedürfnis. Das vor allem die Seele nährt.
Weißt du eigentlich, was sich deine Seele wünscht?
Du kannst es auch in meinem Beitrag nachlesen.
Dr. Elisa Meyer forscht gemeinsam mit Dr. Martin Grunwald. Der auch vom „Homo Hapticus“ spricht. Und erklärt, warum wir ohne Tastsinn nicht leben können.
Kannst du mit deiner Familie kuscheln?
Mit deinem Kind?
Oder deinen Kindern?
Und mit deinem Partner oder deiner Partnerin?
Oder mir Freundinnen und Freunden?
Aber vielleicht auch mit deinem Tier?
Wenn nicht, dann hast du in deinem Alltag Defizite. Und solltest dir diese bewusst machen. Um sie eventuell in der Kuschel-Therapie zu decken. Oder andere Möglichkeiten dafür zu finden.
Übrigens hat Kuschel-Therapie nichts mit Prostitution zu tun. Sondern die Kuschel-Therapie erfolgt professionell und in persönlichem Rahmen. Und ohne sexueller Aktivität.
Dazu gibt es aktuell eine kleine Gruppe von Anbieterinnen. Aber auch wenigen Anbietern. Diese arbeiten in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und zwar nach einer profunden Ausbildung.
Die lehrt, was genau beim Kuscheln passiert. Und welche physiologischen Wirkungen es hat.
Was versteht man unter Kuscheln?
Jeden nicht sexuellen Körperkontakt außerhalb der Bikinizone. Und das geht vom Nebeneinandersitzen und Händchenhalten. Übers Knuddeln und Wiegen. Bis hin zum Festhalten, Streicheln und Kraulen.
Vor allem im Bereich des Rückens, der Arme und des Kopfes. Aber auch das Gesicht darf mütterlich gestreichelt werden. Immer mit Einverständnis der empfangenden Person.
Kuscheln kann als Wellness verstanden werden. So etwa für gestresste Workaholics. Aber es hilft auch bei Trennungsschmerz und anderen gravierenden Lebensveränderungen. Da wirkt es wie Balsam für die Seele.
Die Kuschel-Therapie geht da noch weiter. Denn sie wirkt komplementär unterstützend zur Psychotherapie. Besonders bei Depression und Angststörungen.
Aber auch beim Burnout werden gute Ergebnisse erzielt. Und Kuscheln kann als Konfrontationstherapie bei sozialer Phobie dienen. Aber es wirkt auch bei allerlei zwischenmenschlichen Problemen.
Oxytocin das Kuschel-, Glücks- und Treuehormon
Bei der Kuschel-Therapie wird intensiv Oxytocin ausgeschüttet. Oxytocin ist eines unserer Glückshormone. Es ist bekannt für seine mütterliche Energie. Und ist wichtig in seiner Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung. Da löst es die Wehen aus. Aber auch die Milchproduktion beim Stillen.
Auch beim Baby wird Oxytocin ausgeschüttet. Und das bewirkt, dass es zufrieden und glücklich ist. Weil es sich sicher und aufgehoben fühlt. Oxytocin ist daher auch das Geborgenheitshormon. Das für das Bonding (die Mutter-Kind-Beziehung) wichtig ist. Weil es mit jeder Berührung die Beziehung vertieft.
Aber das gilt nicht nur für die Mutter. Sondern auch für andere Verwandte. So kann das Baby Vertrauen aufbauen.
Bei häufigem Stress ist das hingegen anders. Da verliert das Baby dieses Grundgefühl von Sicherheit und Verbindung. Und verliert auch sein Grundvertrauen. Sowie seine kognitive Empathie.
Oxytocin reduziert aber auch bei Erwachsenen die Angst. Und wirkt somit Stress mindernd. Während es zugleich das Wohlbefinden fördert.
Bei Paaren wird es auch beim Orgasmus ausgeschüttet. Und fördert somit das Vertrauen und die Paarbildung.
Aber es wirkt auch als Gegenspieler zum Cortisol. Und dieses ist ein fatales Stresshormon. Das uns auf Dauer krank macht. Aber auch unsere mentalen Fähigkeiten einschränkt.
Mehr zum Thema Stress findest du auch in diesem Artikel. Aber auch in diesen Büchern.
Bei jeder Umarmung, die länger als 20 Sekunden dauert, schütten wir Oxytocin aus.
Je weniger Oxytocin ausschüttet wird, um so „unkuschliger“ ist man. Und hat kaum noch Bereitschaft zur nicht-sexuellen Berührung. Was vor allem bei Männern nicht selten ist.
Folgen eines Oxytocin-Mangels
- Berührungsarme Umgebung (z.B. bei Heimkindern) kann zu gravierenden Störungen führen.
- Wachstumsstörungen
- Entwicklungsverzögerungen
- Verhaltensproblemen
- Beeinträchtigung der Lern und Spielfähigkeit
- Störungen im Beziehungsaufbau
- Unfähigkeit, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen
- Kommunikationsstörungen
- Emotionale Störungen wie fehlende Empathie
- Erhöhte Aggressivität
- Magersucht
- Adipositas
- Zwangsneurosen
- Sex als Ersatzbefriedigung für Kuschel-Mangel
Oxytocin versus Dopamin
Auch Dopamin ist ein wertvolles Glückshormon. Aber es wirkt ganz anders als das Oxytocin. Nämlich sehr an- und aufregend. Und es wird vor allem bei Vorfreude ausgeschüttet. Aber es ist auch ein Belohnungsgefühl.
Bei der Kuschel-Therapie ist es nicht erwünscht. Denn wenn es ins Spiel kommt, kommt es zu sexueller Erregung. Und diese ist beim professionellen Kuscheln ja nicht erwünscht. Daher wird nach Beruhigung getrachtet. Um wieder mehr Oxytocin auszuschütten.
Wie läuft die Kuschel-Therapie ab?
Wichtig ist, dass die empfangende Person die Regeln kennt. Und natürlich akzeptiert. Also beispielsweise strenge Körperhygiene. Sowie Aussparen der Bikinizone.
Nach der Begrüßung wird Tee getrunken. Und ein Vorgespräch geführt. Dann kommt es zu langsamer Annäherung auf der Couch. Zuerst wird Händchen gehalten und erzählt. Oft ist es das erste Mal seit langem, dass jemand „nur“ zuhört. Und das ist für die meisten sehr wohltuend.
Dann wird gestreichelt, gekrault und gewiegt. So wie eine Mutter ihr Kind in ihren Armen wiegt. Und bei jeder Berührung wird gefragt, ob diese angenehm ist.
Dies führt zu tiefer Entspannung. Sodass die empfangende Person sich innerhalb dieser Stunde sichtbar verändert.
Dann werden Arme und Beine ausgeklopft. Und eventuell nachgeruht.
Mögliche Körperreaktionen bei der Kuschel-Therapie
Zuweilen gibt es beim Kuscheln spezielle Körperreaktionen.
Zuckungen
Recht häufig ist das Zucken. Und dieses kann auf tiefe Muskelentspannung zurückzuführen sein. Wir kennen das wohl alle vom Einschlafen. Wenn sich unsere Spannungen in Zuckungen entladen. Und das kann so heftig sein, dass wir davon wieder aufwachen.
Daher sind diese Zuckungen ein durchaus gutes Zeichen. Weil sie auf tiefe Entspannung hinweisen. Die bei der Kuschel-Therapie ja erwünscht ist.
Weil sie zeigt, dass sich die empfangende Person hier wohlfühlt. Und sich wirklich dem Kuscheln hingeben kann. Also vom Wachzustand zum Schlafzustand und wieder zurück wandert.
Diese Zuckungen können aber auch der Körperregulierung dienen. Vor allem dann, wenn der Körper schon eine Weile nicht mehr berührt wurde.
Dann kann es zu intensiven Körperreaktionen kommen. Weil Energie wieder durch „abgeschnittene“ Regionen fließt. Die vorher nicht sehr gut „angebunden“ waren.
Diese Zuckungen sind meist eher leicht. Und werden von der Person selbst oft gar nicht wahrgenommen.
Daneben gibt es eine Art von Trancezuckungen. Und diese gehen oft einher mit einem Flattern der Augenlieder. Weil der Körper und der Geist in einen Trancezustand gehen.
Und das bedeutet, dass der Klient nicht eingeschlafen ist. Sondern in einer tiefen Trance liegt. Ähnlich wie sie bei der Hypnose vorkommt.
Auch diese Zuckungen regulieren die Energien im Körper. Allerdings weit effektiver als die Zuckungen im Wachzustand. Daher sind sie besonders erwünscht. Weil sie ein Zeichen für intensive Selbstheilung des Körpers sind.
Wiegen
Der Körper kann aber auch automatisch in eine wiegenden Bewegung übergehen. Weil der Körper wieder seinen eigenen Rhythmus findet. Und die Lust an Bewegung wieder natürlich fließt. So ähnlich wie bei Babys und kleinen Kinder. Auch diese wiegen sich gern in ihrem ganz eigenen Rhythmus.
Zittern
Zuweilen kommt es auch zum Zittern. Aber diese kommt nicht durch Kälte. Sondern wieder durch gespeicherten Stress und Anspannung. Aber zuweilen auch durch Trauma. Und ein solches Zittern ist eine ganz normale Reaktion des Körpers.
Mit diesem kann bei der Kuschel-Therapie Anspannungen „abgezittert“ werden. Und dieses Zittern kann sich in ein Vibrieren verwandeln. Oder in wellenartige Bewegungen des ganzen Körpers. Wir sprechen vom „neurogenes Zittern“. Und dieses ist äußerst heilsam.
Kontraindikationen
Gibt es bei der Kuschel-Therapie Kontraindikationen?
Ja, die gibt es.
Einerseits gibt es körperliche Hindernisse. Etwa in Bezug auf die fehlende Hygiene und Nüchternheit des Kunden. Denn vor der Kuschel-Therapie sollte natürlich geduscht werden. Und weder geraucht noch Alkohol getrunken.
Dann soll man als Kunde nicht zu sehr unter sexueller Spannung stehen. Denn sonst ist die Kuschel-Therapie kaum möglich. Weil man sich nicht auf absichtslose Berührung einlassen kann. Also nicht-sexuelles Kuscheln kaum möglich ist.
Bei langer Abstinenz kann davor eine sexuelle Dienstleistung beansprucht werden. Damit die erotische Spannung abgebaut wird. Um dann auch wirklich die Kuschel-Therapie zu genießen. Denn sonst ist es schwer, die Energie vom Dopamin zum Oxytocin umzulenken.
Wichtig ist aber auch die geistige Verfassung. Denn manche Prädisposition eignet sich nicht für Kuschel-Therapie.
Bei der Schizophrenie fehlt beispielsweise die Unterscheidungskraft.
Was gehört zu mir gehört und was zum anderen?
Bei der Kuschel-Therapie wird die Grenze zum Ich massiv überschritten. Und das kann zu heftigen Abwehrreaktionen führen. Dasselbe gilt für andere Krankheiten mit Realitätsverlust.
Daher ist Kuschel-Therapie bei diesen Menschen nur bei guter medikamentöser Einstellung möglich. Und nur nach Rücksprache mit dem begleitenden Therapeuten.
Vorsicht ist auch bei Persönlichkeitsstörungen wie Borderline oder Narzissmus geraten. Weil sich diese Menschen allzu leicht in eine Abhängigkeitsbeziehung mit dem Kuschler begeben. Und Grenzen-Setzung seitens dieses als persönliche Kränkung sehen. Was zu emotionalen Gegenreaktionen führen kann.
Fazit
Die Kuschel-Therapie könnten wir durchaus als Beruf der Zukunft bezeichnen.
Einerseits weil unsere Gesellschaft mehr und mehr an Berührung verarmt.
Andererseits weil diese Art der Therapie in höchstem Maße entspannend wirkt.
Und am besten eignen sich dafür hochsensible und hochsensitive Persönlichkeiten. Denn sie haben am meisten Empathie. Und können daher besonders gut auf ihre Kunden eingehen.
Aber auch alleingeborene Zwillinge sind besonders dafür geschaffen. Weil sie körperliche Nähe schon sehr früh erfahren haben. Und daher auch später dafür prädestiniert sind.
Und das scheint mir in unserer gestressten Zeit besonders wesentlich.
Weiterführende Links
Mein Interview mit Andrea Pusch.
Ihre Homepage: www.ihr-zufrieden-sein.de
Die Kuschel Kiste: www.cuddlers.net
Elisa E. Meyer hat die Kuscheltherapie nach Europa gebracht:
Ihr Buch heißt: „Berührungshunger: Kuscheltherapie als Antwort auf unseren modernen Lebensstil“
Bilder von PIXABAY